- Physiknobelpreis 1954: Max Born — Walter Bothe
- Physiknobelpreis 1954: Max Born — Walter BotheBorn wurde für seine grundlegende Forschung zur Quantenmechanik, Bothe für die Koinzidenzmethode und seine damit gemachten Entdeckungen ausgezeichnet.BiografienMax Born, * Breslau 11. 12. 1882, ✝ Göttingen 5. 1. 1970; 1919-20 Ordinarius für theoretische Physik in Frankfurt am Main, 1920-33 in Göttingen, 1933 Emigration, 1933-36 Professor in Cambridge, 1936-53 Professor für Naturphilosophie in Edinburgh; wichtige Beiträge zur Kristallphysik, Mitbegründer der Quantenmechanik.Walter Bothe, * Oranienburg 8. 1. 1891, ✝ Heidelberg 8. 2. 1957; 1920-30 an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin, 1930-32 Ordinarius in Gießen, 1932-1934 in Heidelberg, 1934-57 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts/Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung; entdeckte den Teilchencharakter der kosmischen Höhenstrahlung und die Kerngammastrahlung.Würdigung der preisgekrönten LeistungMax Born ist einer der Mitbegründer der modernen Quantentheorie. Er goss Werner Heisenbergs (Nobelpreis 1932) Idee einer »Quantenmechanik« in die passende mathematische Form und führte den Wahrscheinlichkeitsbegriff in die Quantentheorie ein.Born hatte in Breslau, Heidelberg, Zürich und Göttingen Mathematik und Physik studiert. Mit seinem 1915 erschienenen Buch »Dynamik der Kristallgitter« legte er einen der Grundsteine für die moderne Festkörpertheorie. Nachdem er im Ersten Weltkrieg in einer Artillerieprüfungskommission gedient hatte, wurde er zunächst nach Frankfurt und 1920 nach Göttingen berufen; Letzteres entwickelte sich unter seiner Tätigkeit zu einem Zentrum der modernen Physik.Born und die QuantenmechanikEinen ersten Ansatz zur Formulierung einer neuen Quantenmechanik lieferte Born 1924 mit seiner Übertragung von Formeln der klassischen Physik in solche, die der Quantentheorie angepasst waren. Angeregt durch eine Arbeit Heisenbergs fand er heraus, dass sich Ort und Impuls eines Teilchens nicht durch Zahlenwerte darstellen lassen, sondern quantentheoretische Gebilde sind, deren Produkt von der Reihenfolge der Faktoren abhängt. Aus dieser »Vertauschungsbeziehung« resultierte 1927 direkt die Heisenberg'sche Unschärferelation. Sie besagt, dass sich von einem Teilchen nur entweder der Ort q oder der Impuls p genau feststellen lassen. In der berühmten »Dreimännerarbeit« gelang Born 1925 zusammen mit seinen Mitarbeitern Pascual Jordan und Werner Heisenberg die endgültige Ausgestaltung der Matrizenmechanik zu einer Theorie. Mit ihrer Hilfe konnte Wolfgang Pauli (Nobelpreis 1945) wenig später erstmals die stationären Zustände des Atoms berechnen.Schon wenige Monate nach der Veröffentlichung von Erwin Schrödingers (Nobelpreis 1933) Wellengleichung 1926 zeigte Born, dass die Wellenmechanik und die »Göttinger Matrizenmechanik« mathematisch identisch waren. Er interpretierte die Amplitude der Schrödinger'schen Wellenfunktion als ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, ein Quantenobjekt (zum Beispiel ein Elektron) an einem Punkt anzutreffen, und entwickelte ein Näherungsverfahren zur statistischen Behandlung atomarer Stoßvorgänge. Über ein einzelnes Teilchen ließen sich nunmehr nur statistische Aussagen machen. Der Determinismus als Grundprinzip der klassischen Physik hatte damit seine absolute Gültigkeit verloren.Nach Hitlers Machtübernahme musste Born Deutschland verlassen. Seine wissenschaftlichen Stationen waren Cambridge und Edinburgh. Nach seiner Emeritierung 1953 ging er nach Deutschland zurück, behielt aber seine erworbene britische Staatsangehörigkeit und lebte bis zu seinem Tod zurückgezogen in Bad Pyrmont. Es schmerzte Born, dass er 1932 nicht gemeinsam mit Heisenberg den Nobelpreis erhalten hatte. Er begründete dies damit, dass alle Größen der frühen Quantentheorie Gegner seiner statistischen Deutung waren und es für die Schwedische Akademie schwierig war, gegen die bedeutenden Stimmen zu handeln. Born war ein entschiedener Gegner von Raketentechnik und Atomrüstung. Als einer der »Göttinger Achtzehn« warnte er 1957 vor einer Verharmlosung der Atomwaffen und sprach sich gegen die geplante atomare Bewaffnung der Bundeswehr aus.Gammastrahlen und NeutronenIn den 1920er-Jahren untersuchte Bothe an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) in Berlin unter anderem Gammastrahlen. Beim Durchgang durch Materie kann diese kurzwellige elektromagnetische Strahlung durch Zusammenstoß mit Elektronen einen Teil ihrer Energie an diese abgeben (Compton-Effekt). Die Elektronen lassen sich mithilfe eines Spitzenzählers — ab 1928 auch mit dem Geiger-Müller-Zählrohr — nachweisen. Bothe schaltete nun zwei Zählrohre so zusammen, dass nur dann ein Impuls ausgelöst wurde, wenn beide Zähler nahezu gleichzeitig von einem Teilchen getroffen wurden. Dieses zeitliche Zusammenfallen des Ansprechens zweier Zählrohre nennt man eine Koinzidenz. Durch das Einschieben von Absorptionsblechen unterschiedlicher Dicke zwischen die beiden Zählrohre verringerte sich die Anzahl der Koinzidenzen. Daraus konnte Bothe auf die Energie der Elektronen und damit auch der auslösenden Gammastrahlung schließen.Da es damals noch keine automatischen Zähler gab, mussten die Ereignisse manuell gezählt werden, was große Konzentration erforderte. Mitarbeiter und Besucher der PTR wurden daher von Bothe gebeten, auf den Gängen nicht zu pfeifen, da es ihn beim Zählen verwirrte. Er wandte die Koinzidenzmethode erstmals an, als er 1925 zeigte, dass auch im atomaren Bereich der Energiesatz bei jedem Einzelereignis gilt. Die Koinzidenzmethode entwickelte sich zu einem wichtigen Untersuchungsmittel der kosmischen Strahlung und aller Arten von Kernprozessen. Im Jahr 1929 gelang Bothe mit ihrer Hilfe der Nachweis, dass die kosmische Höhenstrahlung nicht aus Photonen sondern aus Teilchen bestand. Ein Jahr später entdeckte Bothe beim Beschuss von Beryllium mit Alphateilchen die Erzeugung von Gammastrahlung. Es handelt sich hierbei um eine künstliche Kernanregung durch einen inelastischen Stoß. Viele glaubten später, Bothe habe eine durchdringende Strahlung beobachtet und sie irrtümlicherweise für Gammastrahlung gehalten, obwohl es Neutronen waren. Tatsächlich aber war seine Apparatur für Neutronen unempfindlich. Auch wenn beim Beschuss von Beryllium mit Alphateilchen zwei Strahlenarten — Neutronen und Gammastrahlung — entstehen, entdeckte erst 1932 James Chadwick (Nobelpreis 1935) mithilfe Bothes Arbeit die Neutronen.Bothe beteiligte sich während des Zweiten Weltkriegs am geheimen deutschen Kernforschungsprogramm. Er übernahm die wichtige Messung von Kernkonstanten. Dabei untersuchte er 1941 das Verhalten von Neutronen in Grafit. Zusammen mit Heisenbergs Reaktortheorie kamen die Forscher zu dem folgenschweren Ergebnis, dass Grafit als Bremssubstanz für die bei der Uranspaltung entstehenden Neutronen ungeeignet sei. Vor dem Hintergrund des amerikanischen Erfolgs wurde Bothe später vorgeworfen, dass er durch »falsche« Messungen mit zum Misserfolg des deutschen Uranprojekts beigetragen hätte. Seine Messungen waren jedoch korrekt. Aber weder die Kenntnisse über die Berechnungsmethoden für einen Reaktor noch über die physikalische Optimierung der Form der Uranelemente sowie des Moderatoranteils waren damals vollkommen. Dennoch wäre auch mit seinen Daten der Bau eines grafitmoderierten Reaktors möglich gewesen, wenngleich mit etwas größeren Ausmaßen.Im Dezember 1943 nahm Bothe in seinem Institut das erste deutsche Zyklotron in Probebetrieb. Den Teilchenbeschleuniger konnte er aber bedingt durch das Kriegsende nicht mehr verwenden. Erst nach der Freigabe kernphysikalischer Forschung 1953 konnte er sein Institut wieder auf internationales Niveau bringen.M. Schaaf
Universal-Lexikon. 2012.